Familieneinführung: Berlin

Cedric dachte wohl zunächst, er zieht einfach nur so zu seinem Vater. Damit machte er grob den gleichen Denkfehler wie einst der Christopher, der dachte, er heiratet einfach nur so den Ingo. Was beide nicht bedachten: Als Dreingabe gab es in beiden Fälle eine ganze Horde Familie, die sich über jeden Zuwachs der Sippe freut und sofort adoptiert. Genauso wie Topher in den Anfangsjahren, so wird also nun auch Cedric nach und nach an diverse Orte dieser Republik verschifft um dorten auf Menschen zu treffen, die allesamt wahrlich kein billiger Abklatsch der Durchschnittsbevölkerung aber dafür unglaublich liebenswürdig sind. Und die sich sofort als seine Verwandtschaft vorstellen. Gerne ist er erstmal irritiert, aber zumindest über Ingos Mütterchen wie auch über die Lieblingstante hat er ich insgeheim wohl schon gefreut – auch wenn einem mit 16 sowas ja nicht über die Lippen kommt.

Nachdem die Mutter des Ingos ja schon auf dem Rückweg einer WoW-Gildenexkursion nach Österreich heimgesucht wurde führte nun die Einführungstournee in Ingos Geburtsstadt – nach Berlin um (viel zu spät) auch besagte Lieblingstante Brigitte in den Genuss ihres neuen Großneffens zu bringen.

Schon direkt nach dem Grenzübertritt in die Hauptstadt war zumindest Topher und Ingo klar, dass sie viel zu lange nicht mehr hier waren. Mitten in der Nacht wurde das familiäre Gästedomizil am der Scharfen Lanke bezogen und trotz der späten Stunde musste als erstes noch ein kleiner Spaziergang um den See erfolgen.

Am darauffolgenden Morgen kam nun auch Brigitte dazu – bepackt mit frischen Brötchen welche in Kombination mit dem Inhalt der von Ihr vorab bis an die Kapazitätsgrenze befühlten Kühlschränke zu einem leckeren Frühstück kombiniert wurde. Frühstücken gehört ja nicht zu unseren Morgenriten, allerdings sollte jedem Besucher der Familie geraten sein, bei einem solchen zuzuschlagen – denn traditionell folgt auf ein üppiges Mahl ein nicht minder üppiges Gästeprogramm, welches zu verpassen noch unverzeihlicher wäre, als auf die dargebotenen Speisen zu verzichten.

Brigitte führte uns gewohnt kundig und kurzweilig zu einer Unzahl von Orten, die allenthalben mit „Das muss man gesehen haben“ kategorisiert werden. Und auch die Großen lernen hier immer wieder dazu und entdecken tolle Points-of-interest, wie der moderne Tourist dazu wohl sagt. Unter anderem führte der Weg auch an das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, welches von uns dreien noch niemand sah. Man kann sich über die Aufgabe eines Mahnmals streiten, aber besonders Ingo war hiervon beeindruckt, allein welche Gefühle es beim achtsamen Durchschreiten in einem hervorruft. Gelungen! Wirklich! Und das alles ganz ohne erhobenen Zeigefinger.

Topher und Cedric waren von der Latscherei allerdings derart ermattet, dass sie beide am Abend nur noch aufs Sofa fielen und sich vom Fernsehen (natürlich rbb!) berieseln lassen konnten. Aber so hatten Sie dann auch wieder genug Energie für den kommenden Tag getankt.

Am Morgen begrüßte uns wieder unsere Frühstücksfee Brigitte mit frischen Brötchen und ebensolchen Eiern und rief zur Stärkung auf. Das gestrige Touri-Programm wollte fortgesetzt sein, aber zunächst starteten wir auf einem Flohmarkt, wo dem Topher das Herz aufging und Ingos Griff sich um das Portemonnaie fester klammerte. Hier trafen wir auch zunächst auf einen Kaffee auf eine kleine Überraschung: Brigitte arrangierte ein zusammentreffen mit einer alten (das sagt man nun wirklich nicht über eine Dame…) langjährigen Freundin (Karin) von Ingos Mutter, die dieser das letzte Mal mit ca. 8 Jahren sah. Aber sie wurde sofort erkannt und weil es so viel Spaß machte, nahmen wir sie auch gleich weiter mit an die East-Side-Gallery, weil am das ja auch mal gesehen haben muss und damit der Cedric auch mal einen Eindruck von der schieren Größe der Mauer hat. Außerdem lässt sich so Geschichte ja auch viel besser lernen, wenn sie mit kleinen Anekdoten von Zeitzeugen aka Brigitte und Karin gespickt wird. Und wer die beiden kennt, weiß, dass hier nicht ein einziges Jammertal gezeichnet wird, sondern realistisch rüberkommt, wie man eben auch mit solchem Ungemach ganz normal lebt.

Hinter der Gallery erstreckt sich eine ganz fabulöse Strandbar, in der wir gerne noch ein wenig länger verweilt hätten, allerdings stand für uns drei gleich der nächste Termin auf dem Plan: Hendrik, ein guter Gildenfreund, musst unbedingt noch besucht werden, einerseits weil wir ihn das letzte Mal vor einem Jahr sahen andererseits weil er 4 Tage vorher Vater seiner zweiten Tochter wurde, die man ja auch bewundern muss.

Es war ein netter Nachmittag mit ihm, der jungen Mutter und seinen beiden Kindern (wobei der Neuzugang ja noch im Maulwurfstadium ist und nur schlief – aber süß tat sie das, wenns für uns Ältere nur auch immer so einfach wäre, Begeisterung zu erzeugen…).

Am Abend fand es Cedric eine ganz tolle Idee, wenn Topher und Ingo einfach mal Zeit nur für sich verbringen (womit er natürlich meinte, dass er jetzt genug von so vielen alten Säcken hätte) und so zogen wir zu zweit los, bewunderten das Sony-Center bei Nacht, machten unseren Anstandsbesuch am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen und genossen flanierend die Berliner Nachtluft.

Am Montagmorgen stärkte uns Brigitte noch mit einem Frühstück, packte uns ein großes Stück Jagdwurst ins Gepäck (lecker…) und auf ging’s nach Hause. Die Fahrt war eine kleine Tortour, aber wir kamen an und wurde nicht nur von Peggy, Micha und Anouk begrüßt, sondern auch von Peggys Eltern, die in der Zwischenzeit sich hier einfanden um ein paar nette Tage in Sandhausen zu verbringen.

Familie wo man hinschaut – so ist’s fein!